Wir lernen Essen

Wir lernen Essen

  4. Jänner 2021

  Unser Blog 

 

Liebe Marie!

Aufgrund deiner Krankengeschichte, war die Nahrungsaufnahme bis jetzt nichts Erfreuliches für dich.

Du wurdest mehrmals intubiert und sondiert. Das hinterlässt Spuren.

 

Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie überglücklich wir alle waren, als du im Krankenhaus erstmals von der Flasche getrunken hast. Leider setzte immer wieder ein Würgen und Erbrechen ein.

Du konntest nur ganz kleine Mengen zu dir nehmen, daher wurde aus medizinischer Sicht eine hochkalorische Nahrung indiziert.

Bis dato hast du nur die Flaschennahrung akzeptiert.

All unsere Versuche, dir das Essen schmackhaft zu machen, sind fehlgeschlagen.

Kein Wasser, kein Saft, kein Brei … kein Geschmack, keine Konsistenz, kein Geruch, absolut nichts lieferte dir einen Grund sich für das Essen zu interessieren.

Selbst Essen anzufassen war für dich tabu.

Wir waren zuletzt mit unserem Latein am Ende. Dadurch du solange „zwangsernährt“ worden bist, wollte ich absolut keinen Druck auf die Situation ausüben.

 

Doch wie so oft im Leben kommt genau dann ein entscheidender Hinweis.  Ein Wegweiser.

 

Wir wurden auf Fr Dr Pauli im Kepleruniversitätsklinikum in Linz verwiesen.

Diese Frau hat sich mittlerweile als Segen für uns herausgestellt. Sie hat uns Hoffnung gegeben und uns Hilfe angeboten.

Anfang Dezember waren wir dann stationär im Krankenhaus, wo wir eine sogenannte Essensanbahnung mit dir begonnen haben.

Ich war sehr beeindruckt, mit wieviel Psychologie hier gearbeitet wird.

In den ersten zwei Tagen wurde ich persönlich ziemlich gefordert. Es wurde ganz viel Bewusstsein geschaffen und ich habe verstanden, eine Haltung dem Thema gegenüber einzunehmen.

Tag für Tag ist auch meine Unsicherheit weniger geworden. Marie du bist ein sehr zart gebautes Mädchen, welches mit dem Gewicht seit Geburt an immer unter der Grenze liegt.

Dass hat dazu geführt, dass wir regelmäßig Kontrollen hatten, die bei uns zu einer extremen Anspannung führten. Wenn der Zeiger auf der Waage nicht in die richtige Richtung zeigte, hat das wieder Krankenhaus bedeutet.

 

Fr Dr Pauli kennt deine Krankengeschichte und wir mussten uns nie erklären.

Wir haben uns beide für dieses Essensprojekt entschieden – also du indirekt – und die Sache wieder mal angepackt.

Essen lernen heißt unser nächster Schritt.

Marie du hast das Esstraining gut angenommen, warst kooperativ, geduldig und ausdauernd.

Das Bemühen ist ein Anfang …. und siehe da, es fängt sich etwas zu bewegen an.

Mittlerweile haben wir beide Freude an der Sache bekommen. Wir lachen beim Üben, erfreuen uns über kleine Fortschritte und versuchen gemeinsam vorwärts zu kommen.

Es wird noch einige Zeit dauern. Aber die Zeit spielt keine Rolle, das wichtigste ist, dass du weitermachst!

Es freut mich sehr, Marie, mit dir zu lernen!


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